Dezember 2002
Mörschwil SG, Anfang Dezember 2002 Im Mitteilungsblatt veröffentlicht "Die Gemeindeverwaltung" einen Aufruf zur Denunziation der in der Gemeinde lebenden Asylbewerbern: "Wir sind sehr daran interessiert, dass sich die Asyl Suchenden, welche in unserer Gemeinde wohnen, korrekt verhalten. Ist das nicht der Fall, bitten wir die Bevölkerung, die Gemeindeverwaltung oder allenfalls die Polizeistation Goldach zu informieren. Dies erlaubt uns, zu intervenieren und erforderliche Massnahmen einzuleiten." Verfasst hat das Schreiben der Gemeinderatsschreiber Urs Schenker. In einem Editorial in der Tageszeitung "24 heures" schreibt Madeleine Schürch: "En appelant les citoyens du village à dénoncer "les comportements douteux" d'une catégorie bien ciblée de la population, en l'occurrence des requérants d'asile pour l'essentiel africains, les autorités locales ont franchi un pas intolérable vers la discrimination légalisée. Ainsi, les citoyens bons teints sont invités à signaler des comportements incorrects de ce petit groupe déjà marginalisé. Encore faudrait-il déterminer ce qu'est un "comportement correct" dans ce climat de méfiance institutionnalisé. Va-t-on dénoncer un requérant qui parle trop fort au bistrot ou qui traîne trop près de l'école? Cet appel à la délation a bien sûr suscité un tollé dans la presse, mais contrairement à la mesure de Meilen, commune zurichoise qui avait décrété des zones interdites aux requérants d'asile, il n'a pas provoqué de remise à l'ordre du canton. C'est cela qui est inquiétant. Faudra-t-il attendre que quelqu'un porte plainte pour violation de l'article constitutionnel sur le racisme pour terrasser ce genre d'initiative malsaine?" (24 heures, 23.12.2002) Beggingen SH, 2. Dezember 2002 15 von 18 Kindergarten-SchülerInnen besuchen den Unterricht nicht mehr, weil ihre Eltern behaupten, ein über dem Kindergarten einquartiertes Asylbewerberpaar störe beim Verlassen und Betreten das Spiel der Kinder. Arbon TG, 5. Dezember 2002 Unbekannte beschmieren in den Morgenstunden mehrere Gebäude mit rassistischen Parolen und Hakenkreuzen. Zürich, 5. Dezember 2002 Der Verfassungsrat diskutiert unter dem Titel "Wohnen" auch über Stand- und Druchgangsplätze für Fahrende. Der Zürcher SVP-Vertreter Dieter Hierholzer reagiert mit rassistischen Aussagen. Die NZZ berichtet: "Dieter Hierholzer (svp., Zürich) meinte, die Gelegenheit nützen zu müssen für ein Votum, in dem er alle diskriminierenden Vorurteile gegen 'Zigeuner' unterbrachte." Meilen ZH, 9. Dezember 2002 In einer Informationsveranstaltung orientiert der Gemeinderat über die Sperrzonen, die für AsylbewerberInnen in der Gemeinde gelten. Ausgesperrt werden Asylsuchende von Schul- und Sportanlagen, es sei denn, sie verfügen über eine besondere Bewilligung. Im Dorfzentrum dürfen sie sich zwar aufhalten, "störende Ansammlungen" werden jedoch nicht geduldet. Gemeinderat Christoph Hiller (FDP) behauptet: "Die 'Hausregeln' sind zum Schutz der Bevölkerung, aber auch zum Schutz der Asylsuchenden vor ungerechtfertigten Anschuldigungen aufgestellt worden." Hiller gesteht aber auch ein, dass "diese Massnahmen rein formaljuristisch nicht ganz korrekt" sind. Peter Niederöst, Mitglied der Demokratischen JuristInnen und Kopräsident von Solidarité sans frontières, erklärt der WochenZeitung: "Die Trennung einer Bevölkerungsgruppe von einer anderen mit der Begründung, diese geschehe zum Schutz derselben, greift die Rhetorik aus der südafrikanischen Apartheidzeit auf". Die grundlose Ausgrenzung einer bestimmten Gruppe - hier der Asylsuchenden - sei diskriminierend und tangiere das Grundrecht auf Bewegungsfreiheit. Tage später zieht der Gemeinderat die Weisungen zurück. Nebikon LU, 11. Dezember 2002 Die Mehrheit der Anwesenden lehnt an der Gemeindeversammlung alle fünf Einbürgerungsgesuche von 13 AusländerInnen ab. Die Abgewiesenen sind mazedonischer, jugoslawischer oder kroatischer Herkunft. Grossdietwil LU, 12. Dezember 2002 Die Gemeindeversammlung lehnt das Einbürgerungsgesuch einer vierköpfigen jugoslawischen Familie diskussionslos und grossmehrheitlich ab. Der Gemeindepräsident spricht danach von einem "harten, aber demokratischen Entscheid". Bern, 27. Dezember 2002 Die Tageszeitung "Der Bund" berichtet über 92 BewohnerInnen eines Hochhauses in Bern-Bümpliz, die einen Brief an die Hausverwaltung unterzeichneten, damit diese eine somalische Flüchtlingsfamilie rauswerfe und wieder eine "anständige Ordnung" herrsche. Die Unterschriftensammlung geht auf die Initiative eines Ehepaars zurück, das an einem klärenden Gespräch mit der Flüchtlingsfamilie nicht interessiert war. Gegenüber dem Hausverwalter bezeichnen die Initianten die Flüchtlingsfamilie als "Schmarotzer", die "keinen Platz in unserer Hausgemeinschaft" hätten. Die somalische Ehefrau berichtet, dass mehrfach brennende Zigaretten aus dem Haus heruntergeworfen worden seien, wenn sie oder ihre Töchter im Tschador über den Hof gegangen seien. "Ich habe unterdessen Angst hier zu wohnen", erklärt sie, "lieber wäre ich in Somalia gestorben, als in die Schweiz zu kommen." Einen Monat später berichtet "Der Bund", dass sich die Familie eine neue Wohnung suche, obwohl die Wohnungsvermieterin keinen Grund zur Kündigung sieht. Denn die HetzerInnen geben nicht auf. Es gebe, so erklärt eine Frau dem "Bund", "genügend alte Häuser in der Stadt, wo man diese Leute reinstecken" könne. Und weiter: Sie wünsche sich, dass kein "schwarzes Zeug" mehr reinkomme. Und ein anderer Bewohner, der sich nicht an der Unterschriftensammlung beteiligt haben will, meint: "Wir leben hier nicht im Busch."